Ein Grund, daß die Nazis in vielen Bereichen des Lebens stillschweigend hingenommen wurden war, daß innerhalb kurzer Zeit Programme gestartet wurden, die den Arbeitslosen wieder ein normales Auskommen ermöglichten. In den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden übliche Löhne der ausgeübten Berufe bezahlt. Nur wenige der zahlreichen Programme sind heutzutage noch bekannt, wie z.B. der Autobahnbau und der Bau der Siegfriedlinie (Westwall). Die gestarteten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen waren aber keine Idee der Nazis , sondern i.d.R. Vorhaben , deren Pläne zwar in Schubladen lagen, aber noch nicht umgesetzt waren (Der Bau von Autobahnen war bereits vorbereitet, die Planungen so gut wie abgeschlossen und die Grundstücksfragen größtenteils geklärt)
Die Arbeitsbeschaffung durch die Öffa
Von Dr. K. Wilhelm, Berlin
Im Kampfe gegen die Arbeitslosigkeit ist die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten A.-G. (Öffa) in neuerer Zeit mehr und mehr in die Erscheinung getreten, am stärksten in der Arbeitsschlacht des vergangenen Jahres, in der ihr einer der wichtigsten Kampfabschnitte zugewiesen wurde. Unnötig zu sagen, daß die Öffa mit größter Hingabe bestrebt gewesen ist, die ihr gestellten außerordentlichen Aufgaben zu lösen, um so mehr, als diese dem eigentlichen Daseinszweck des Instituts entsprachen. Dabei konnten fachliche Erkenntnisse und Erfahrungen verwertet werden, die in früheren Jahren gesammelt, aber unter den Verhältnissen des vergangenen Systems unausgenutzt geblieben waren. Es konnte ferner zur Lösung des Finanzierungsproblems das Kapital an Vertrauen eingesetzt und genutzt werden, das sich die Öffa durch ihre bisherige Geschäftsführung nicht nur in der Verwaltung, sondern auch bei den Banken, u. a. bei der Reichsbank, erworben hatte.
Im ganzen sind mit Hilfe der Öffa folgende Beträge bereitgestellt worden:
Papen-Programm 204 Millionen
Sofort-Programm 401 „ „
Reinhardt-Programm 569 „ „
1174 Millionen RM
Welche Arbeiten zu finanzieren waren, wurde im Papen-Programm nach Art und Gesamtumfang, im übrigen lediglich nach der grundsätzlichen Richtung vom Reiche aus bestimmt. Dadurch war, und zwar in der glücklichsten Weise im Reinhardt-Programm, der Öffa die Möglichkeit gegeben, unbeschwert von bürokratischen Beengungen in den einzelnen Wirtschaftsgebieten die Durchführung derjenigen Arbeiten zu ermöglichen, die nach den jeweiligen Verhältnissen als die bestgeeigneten und dringendsten erschienen.
Es versteht sich von selbst, daß nur volkswirtschaftlich vertretbare Investierungen vorgenommen werden dürfen. Von diesen kommt den reproduktiven Anlagen - auch unter dem Gesichtspunkt der Leistung des Kapitaldienstes — besondere Bedeutung zu. Bei Würdigung der arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen der Arbeiten hat die Gesellschaft nicht immer das Gewicht allein auf die unmittelbare Auswirkung, nämlich auf die Zahl der auf der Baustelle beschäftigten Arbeitskräfte, gelegt. Sie hat sich vielmehr von der Erkenntnis leiten lassen, daß bei zu starrer Durchführung dieses Grundsatzes u. U. gerade die volkswirtschaftlich wichtigsten Arbeiten (z. B. Talsperren, Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser und Elektrizität) in den Hintergrund treten würden, die erfahrungsgemäß einen höheren Materialaufwand erfordern. Auch bei der Finanzierung des Materialaufwandes werden bedeutende Auswirkungen in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht erzielt. Der Wert dieser mittelbaren Auswirkungen liegt insbesondere darin, daß nicht nur dem Tiefbaugewerbe, sondern auch verschiedenen Industriezweigen, z. B. der Eisen-, Maschinenbau - und Elektroindustrie, Aufträge zugeführt werden.
Ein wesentlicher Teil der über die Öffa finanzierten Mittel ist für größere, volkswirtschaftlich wertvolle Tiefbauarbeiten, wie Talsperren, Hafenanlagen, Brücken und Arbeiten der Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Elektrizität) bereitgestellt. Ferner sind dem Straßenbau erhebliche Beträge zugute gekommen. In recht erheblichem Umfange sind auch Maßnahmen der Reichswasserstraßenverwaltung in das Programm einbezogen worden. Endlich sind Kredite für Instandsetzungs-, Ergänzungs- und Erweiterungsarbeiten an Hochbauten öffentlicher Träger zur Verfügung gestellt. — Eine große Zahl von volkswirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch gleich wichtigen Arbeiten ist in den drei Arbeitsbeschaffungsprogrammen mit Hilfe der Öffa finanziert worden. Einen Eindruck hiervon vermittelt die untenstehende Übersicht, in der eine Anzahl der wichtigsten Arbeiten unter kurzer Angabe ihrer wirtschaftlichen und sozialpolitischen Bedeutung zusammengestellt sind.
Die Mittel werden, da der Bedarf auf dem Kapitalmarkt nicht gedeckt werden kann, im Wege der Vorfinanzierung auf Wechselgrundlage beschafft. Hierdurch ist der Reichsbank die Möglichkeit eröffnet, an dieser Finanzierungsaktion mitzuwirken. Die Öffa stellt für die Arbeitsbeschaffungswechsel ihre Unterschrift als Akzeptant zur Verfügung, vervollständigt die Papiere durch Heranziehung von Firmen, die regelmäßig — in Anpassung an den zugrunde liegenden Leistungs- oder Lieferungsvorgang - - die Ausstellung übernehmen, und ferner der Träger, die im allgemeinen die Wechsel girieren. Auf diese Weise wird ein Wechselmaterial geschaffen, das zur Diskontierung bei der Reichsbank geeignet ist.
Die Wechsel werden von der Reichsbank im Reinhardt-Programm der Öffa unmittelbar, im übrigen unter Zwischenschaltung von Bankkonsortien rediskontiert, die ihrerseits der Öffa entsprechende Rediskontzusagen erteilt haben. Sie laufen im Papen-Programm P/4 Jahr, im Sofort-Programm und Reinhardt-Programm 5 Jahre und werden bei Fälligkeit vom Reich eingelöst mit der Maßgabe, daß je ein Fünftel des Betrages in den Jahren 1934 bis 1938, beginnend mit dem Jahre 1934 abzudecken ist. Die einzelnen Abschnitte, die auf eine dreimonatliche Laufzeit ausgestellt sind, werden bei Fälligkeit entsprechend der Dauer der Wechselvorfinanzierung jeweils prolongiert.
Den Trägern werden die Darlehen unabhängig von der Dauer der -Wechselfinanzierung im allgemeinen langfristig, entsprechend der Lebensdauer der damit finanzierten Anlagen, gewährt. An der Wechselvorfinanzierung wirken sie nur insoweit mit, als sie für Beschaffung der erforderlichen Unterschriften zu sorgen haben. Auch für die Firmen ist mit der Ausstellung der Wechsel praktisch ein Risiko nicht verbunden, da die Öffa die Papiere akzeptiert und da die Verpflichtungen aus den Wechseln durch Reichsgarantien, und zwar im Papen-Programm durch Bürgschaften, im Sofortprogramm durch Steuergutscheine und im Reinhardt-Programm durch Arbeitsschatzanweisungen, sichergestellt sind.
Die im Papen-Programm gewährten Darlehen sind zum größten Teil ausgezahlt, die im Sofort- und Reinhardt-Programm finanzierten Maßnahmen befinden sich in voller Durchführung. Von dem oben angegebenen Gesamtbetrag von 1174 Millionen RM hat die Öffa bisher Auszahlungen im Betrage von rd. 450 Millionen RM geleistet. Es wird also für das nächste Baujahr noch ein ansehnlicher Arbeitsvorrat mit gesicherter Finanzierung zur Verfügung stehen.
Quelle: VDI Zeitschrift, vom 27.1.1934, S. 129
Arbeitsbeschaffung der Reichsbahn