Deutscher Bergbau 1933

In den Tagen vom 27. bis 30. September fand unter überaus zahlreicher Beteiligung der 14. allgemeine deutsche Bergmannstag in Essen statt, über dessen allgemeinen Verlauf bereits in den VDI-Nachrichten vom 4. Oktober berichtet wurde. Die Begrüßungsansprache hielt Geheimrat Hilger, der Ausführungen von Reichswirtschaftsminister Schmitt folgten.

Prof. Dr.-Ing. A. Friedrich, Karlsruhe, sprach über die Aufgaben   des   Führertums   in   der   deutschen   Wirtschaft.
Jede Arbeit trägt Segen oder Fluch, je nach der Gesinnung, aus der heraus sie getan wird. Soll deshalb die Wirtschaft mitbauen am heutigen Staat, so ist es nicht getan mit formalen Lösungen. Denn nie entscheidet die Form, sondern immer nur der Inhalt. Damit aber lehnen wir als Führer ab alle jene Menschen, die nur formal denken können; denen die geistigen Bedingungen bedeutungslos sind, ja denen das Organ fehlt, sie zu erkennen und zu erfassen! Gesinnung kann man nicht organisieren! Aber wachrufen durch eigenes Beispiel, Aufflammenlassen durch das heiße innere Ringen, das ist die Aufgabe des Führertums. Wenn unser Volk erwacht ist, so heißt es, daß wir mit diesem Erwachen wieder das Licht, die Wahrheit vertragen können; sind wir aber eingetreten in eine Zeit der Wahrheit, dann wird sich in unseren Reihen keiner mehr halten können, dessen Wesen Schein, dessen Tun Hinterhältigkeit, Lüge und Selbstsucht ist.
Der Lebensraum unserer Wirtschaft unterliegt diesem unabweisbaren Gesetz deutschen Wesens, deutscher Wahrhaftigkeit. Und deshalb muß sich jeder, der hier zur Lenkung berufen ist, darüber klar sein, daß sein Werk eine Pflanzstätte völkischen Geistes sein muß. Was wir brauchen, sind deutsche Menschen, denen Ehre letzte und heiligste Substanz ist und die in siegesfroher Kraft im Kampf des Alltages beweisen, daß Ehre siegt. In unseren Werken sehen wir anderes als nur Maschinen und Einrichtungen. In den Stätten unserer Arbeit fühlen wir deutsches Wesen, getragen von tatbereiten deutschen Menschen. Nicht darum leben wir, um eine Tonnenzahl zu erhöhen, nicht darum, um einen Schornstein noch höher zu bauen als bisher. Aufbruch deutschen Wesens, Beweis deutschen Wesens in der Tat, das ist die Aufgabe lebendiger deutscher Führung in unserer Wirtschaft. Dazu brauchen wir innerlich reiche, seelisch gebildete, kämpferisch heldische Menschen, die in den Stätten der Arbeit offenbaren den Geist der Wahrheit, in ihren Volksgenossen aber den Stolz und die Würde des deutschen Arbeiters.


Bergrat  Dr.  H.  v. Scotti,  Bad   Grund,  berichtete über den neuesten Stand der technischen Entwicklung im deutschen Metallerzbergbau.
Eine große Umwälzung auf dem Gebiete des Aufbereitungswesens hat die Einführung des Schwimmverfahrens hervorgerufen. Hierdurch konnte die Metalläusbeute aus dem Roherz der deutschen Lagerstätten in bedeutsamer Weise erhöht werden. Der Vortragende wies auf die schwere Krise im deutschen Erzbergbau hin, die durch den Verfall der Metallpreise heraufbeschworen ist. Er betonte, daß bei den augenblicklichen Verhältnissen nur ein staatlicher Schutz dem in sozialer, wirtschaftlicher und wehrpolitischer Hinsicht so wichtigen deutschen Metallerzbergbau über diese Krise hinwegzuhelfen vermag.


Dem Vortrag von Dipl.-Ing. Hirz, Halle a.  S., Entwicklung und Stand der Technik im deutschen Braunkohlenbergbau ist zu entnehmen, daß der Anteil der Braunkohlenförderung aus Tief- und Tagebau sich immer mehr zugunsten des Tagebaues verschoben hat, der an der Gesamtförderung des Jahres 1932 mit rd. 90 % beteiligt war. Dank der Vervollkommnung der Abraumtechnik ist es heute möglich, Lagerstätten bei einem Verhältnis von Deckgebirgs- zu Kohlenmächtigkeit bis 3,5 : l, bei Verwendung von Abraumförderbrücken sogar bis 7 : l im Tagebau aufzuschließen und ohne Abbauverluste zu gewinnen. Das Abräumen des Deckgebirges beeinflußt die Wirtschaftlichkeit des Tagebaubetriebes erheblich, entfallen doch in den mitteldeutschen Bezirken 60 bis 70 % der gesamten Tagebaukosten auf den Abraumbetrieb, der infolgedessen im Laufe der Jahre immer vollkommener und wirtschaftlicher gestaltet werden mußte. Die ständig sich verschlechternden Deckgebirgsverhältnisse führten zwangsläufig zur Einführung immer leistungsfähigerer Bagger. Der Eimerkettenbagger überwiegt bei weitem und ist heute bei Eimerinhalten bis zu 1200 l, Leistungen bis zu 1600 m3/h, senkrechten Schnittiefen von 40 m und Schnitthöhen von 25 m angelangt. Neben Eimerkettenbaggern mit feststehender Eimerkette werden Schwenk-, Verbund- und Schaufelbagger verwendet. Löffelbagger dienen fast nur noch als Hilfsgeräte. Hand in Hand mit der Erhöhung der Baggerleistungen mußte eine Verbesserung des Fahr- und Kippenbetriebes gehen. Die nur 4 bis 5m3 fassenden Holzkastenwagen wurden durch stählerne, 15 bis 16 m3 fassende Selbstentladewagen und die Dampflokomotiven durch elektrische ersetzt, während die Abraumkippen durch Absetzgeräte aufnahmefähiger gemacht wurden. Neben den Absetzgeräten verwendet man unter bestimmten Voraussetzungen Kippenpflüge und Spülkippen.
Eine überaus wichtige Neuerung und Verbesserung des Abraumbetriebes brachte die Abraumförderbrücke. Der in einigen Fällen angewandte Kabelbagger hat zwar geringere Leistung, aber große Beweglichkeit und wird nur dort Verbreitung finden, wo ein anpassungsfähiges Gerät erforderlich ist. In der Abförderung der Kohle aus dem Tagebau ist in den Nachkriegsjahren die Kettenbahn in immer größerem Umfange durch Großraumbahnen mit Wagen von 35 bis 50m3 Fassungsvermögen ersetzt worden. Wo Reibungsbahnen die Steigungen nicht mehr zu überwinden vermögen, werden Zahnradbahnen oder Schrägaufzüge verwendet. In neuester Zeit ist das Förderband hinzugekommen, dem die Kohle in Großraumwagen zugeführt wird.
Dem Braunkohlentiefbau sind im Gegensatz zum Tagebau in der Erhöhung der Leistungen wegen der Unmöglichkeit, die Handarbeit durch Maschinen in nennenswertem Maße zu ersetzen, und wegen sonstiger in der Eigenart des Tiefbaues liegender Erschwernisse enge Grenzen gesetzt. Die Versuche, die Strecken maschinell aufzufahren, sind noch nicht abgeschlossen.
Aus dem Bestreben heraus, die Sicherheit in den Braunkohlenbrikettfabriken zu erhöhen und das Brikett weiter zu verbessern, sind im letzten Jahrzehnt auf allen Teilgebieten der Brikettierung: der Aufbereitung, Trocknung, Kühlung und Verpressung eine Reihe von Neuerungen eingeführt worden. Zu nennen sind hierunter: Übergang zu feinerer Körnung der Brikettierkohle, planmäßige Überwachung des Trocknungsvorganges, Untersuchungen über den Vorgang in der Presse und Verbesserungen der Kühlhäuser sowie der Entstaubungsanlagen.



Bergassessor G. Schlicht, Berlin, sprach über die deutsche Erdölindustrie, ein Überblick über ihre wichtigsten technischen und wirtschaftlichen Probleme,
Der Vortragende wies einleitend auf die besonders im Weltkrieg von allen Völkern erkannte Bedeutung des Erdöls als Machtfaktor hin und gab dann einen Überblick über die geologischen und Lagerstättenverhältnisse der deutschen Erdölvorkommen sowie über die Entwicklung der deutschen Erdölerzeugung. Die Notwendigkeit, die Erdölvorkommen in Deutschland in größeren Teufen (zwischen 1000 und 1500m) aufzusuchen und zu Aufschlußzwecken teilweise noch tiefer zu gehen (bis zu 2000m), ergab in den letzten Jahren eine völlige Umwälzung der deutschen Bohrtechnik durch die Einführung des Rotarysystems. Die Aufgaben beim Tiefbohren haben die Bohrtechnik zu einer Wissenschaft gemacht, die sich fortlaufend zu vervollkommnen trachtet. Deutschland hat sich dabei die Erfahrungen des Auslandes nutzbar gemacht und diese in steter Aufbauarbeit weiter entwickelt. Die hohen Kosten der Tiefbohrungen (eine Bohrung von 1500 m Teufe kostet etwa 200 000 M einschließlich Rohrverlust und Abschreibungen, jedoch ohne Berücksichtigung des technischen Risikos) erfordern eine vorsichtige und stets auf den jeweils neu erlangten Aufschlußergebnissen aufbauende Bohrtätigkeit. Die gegenseitige Unterstützung der einzelnen Erdölgesellschaften durch Erfahrungsaustausch ist daher notwendig.
Während der Bohrbetrieb nur etwa 25 bis 40 % der Öl-Vorräte ausbeutet, vermag der Bergbau die Restmengen des in der Erde verbleibenden Öles mit Ausnahme der Abbauverluste zu fördern. Der eigentliche Bergbau, wie er in Pechelbronn während des Krieges durch die Deutsche Erdöl-A.-G. begründet und nach dem Krieg nach Wietze überführt wurde, geht in den Öllagerstätten selbst um.
Über die Aussichten der deutschen Erdölindustrie sagte Schlicht, daß sie noch in den Anfängen ihrer Entwicklung sich befindet, und daß man sich nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß die Aufgabe, inwieweit Deutschland in der Lage ist, aus eigenen Vorkommen seinen Bedarf auf lange Sicht hin in nennenswertem Umfange zu decken, durchaus ungeklärt ist und noch viel Arbeit und großen Kapitalaufwand erfordern wird. Es muß bereits als ein guter Erfolg bezeichnet werden, wenn es bei der zu erwartenden Motorisierung und der daraus entspringenden Steigerung des Bedarfes an Erdölerzeugnissen gelingt, den bisherigen Anteil der Eigengewinnung am Gesamtbedarf auf der gleichen Höhe zu halten1).


Bergassessor F. W. Wedding, Essen, berichtete über die Gestaltung des Flözbetriebes   im deutschen Steinkohlenbergbau.
Von den sechs in Betracht kommenden Steinkohlenbezirken, nämlich Oberschlesien, Niederschlesien, Niedersachsen mit den drei Vorkommen von Ibbenbüren, Barsinghausen und Obernkirchen, dem Ruhrbezirk, Aachen und dem Lande Sachsen hatte der Ruhrbezirk im Jahre 1932 mit 70 % den bei weitem größten Anteil an der Steinkohlenförderung des Deutschen Reiches. An zweiter Stelle folgt Oberschlesien mit 15 % und Aachen mit 7 %. Den deutschen Saarbezirk konnte der Vortragende in Ermangelung von Unterlagen leider nicht in den Kreis seiner Betrachtungen einschließen.
Von weitgehendem Einfluß auf die Gestaltung des Flözbetriebes sind die naturgegebenen Flözverhältnisse, nämlich Mächtigkeit und Einfallen der Flöze. Über die mächtigsten Flöze verfügt Oberschlesien, dessen Förderung zu 65 % aus Flözen über 3 m stammt. In allen übrigen Bezirken liegt die Mächtigkeit vorwiegend zwischen 0,5 und 2,5m, im Ruhrbezirk hauptsächlich zwischen l und 2m. In allen Bezirken überwiegt das flache Einfallen von 0 bis 25 ° bei weitem. Von den verschiedenen Abbauverfahren der flachen Lagerung haben besonders der Pfeilerbau in den sehr mächtigen Flözen Oberschlesiens und der Rutschenbau in den mittel- und geringmächtigen Flözen der übrigen Bezirke überragende Bedeutung gewonnen. Bei der Hauptmenge der Rutschenbetriebe des Ruhrbezirkes wurden zu Beginn des Jahres arbeitstäglich zwischen 100 und 4001 gefördert. Die flachen Bauhöhen betragen gegenwärtig in Oberschlesien und Aachen im Mittel über 130 m und im Ruhrbezirk 118 m, während der arbeitstägliche Abbaufortschritt sich in den beiden erstgenannten Bezirken auf rd. 110 cm und im Ruhrbezirk auf 87 cm beläuft.
Die Bemessung sowohl der flachen Bauhöhe als auch des Abbaufortschrittes ist weitgehend abhängig von dem angewendeten Versatzverfahren. Blindort-, Blas- und Teilversatz gestatten hierbei wesentlich höhere Werte als der mit der Hand eingebrachte Vollversatz. Der Spülversatz ist besonders in Oberschlesien verbreitet, wo 36 % der Förderung aus flacher Lagerung auf Abbaubetriebspunkte mit diesem Versatzverfahren entfallen. Aus Streben, die im Blasversatz und flacher Lagerung arbeiten, stammen in Oberschlesien etwa 10, im Ruhrbezirk 12 und in Aachen sogar 15 % der dortigen Förderung. Teilversatz wird hauptsächlich in den dünnen, zum großen Teil unter 50 cm mächtigen Flözen von Barsinghausen und Obernkirchen angewendet. Sehr verbreitet ist im Ruhr- und Aachener Bezirk neben dem mit der Hand eingebrachten Versatz der Blindortversatz, auf den in beiden Bezirken etwa 40 % der Förderung aus flacher Lagerung kommen. Beim Pfeilerbau in Oberschlesien wird zu 50 % Versatz überhaupt nicht eingebracht, sondern man läßt die Hohlräume zu Bruch gehen.
Hinsichtlich der Kohlengewinnung ist den Ausführungen Weddings zu entnehmen, daß in Oberschlesien die Schießarbeit stark verbreitet ist, da 83 % der Förderung auf diesem Wege gewonnen werden. In den übrigen Bezirken ist die Schießarbeit stark zurückgedrängt. Dafür hat der Abbauhammer besonders in Niedersachsen, im Ruhrbezirk und in Aachen eine außerordentliche Verbreitung gefunden. Hier werden zwischen 85 und 95 % der Förderung mit Hilfe dieses mit Druckluft angetriebenen Werkzeuges hereingewonnen. Die Schrämarbeit findet man besonders in Niederschlesien, wo über die Hälfte der Förderung Schrämbetrieben entstammt. Wenn in den letzten Jahren oft von einer überspitzten Verwendung von Maschinen im Steinkohlenbergbau die Rede war, so trifft dies nach den Ausführungen des Vortragenden keinesfalls für die Kohlengewinnung zu. Die Maschinen erleichtern hier dem Hauer nur die Loslösung der Kohle aus ihrem natürlichen Verbände. Es bleibt dem deutschen Steinkohlenbergbau auch gar nichts anderes übrig, als von der Maschine weitestgehenden Gebrauch zu machen; denn nur auf diese Weise kann er, zumal er in immer größere Teufen vorrückt, in denen die betrieblichen Verhältnisse fortlaufend schwieriger werden, den Wettbewerb mit dem Auslande aufnehmen und den heute noch von ihm beschäftigten mehr als 300 000 Bergleuten Arbeit und Brot geben.
 

BerlinN 9782Dr.-Ing. Fr. Prockat
!) Vergrl. a. C. Walther, Z. Bd. 77 (1933) Nr. 43 S. 1153.

Quelle : Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1933, S 1282 bis 1283

Hier Link zum Thema Hauptschachtförderung (pdf-Datei - aus VDI 1934)

 

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