Zehnte Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz
(Luftschutzmäßiges Verhalten bei Luftangriffen und Luftschutzübungen)
in der Fassung vom 31. August 1943

Teil I
§ l
Luftschutzmäßiges Verhalten nach Aufruf des Luftschutzes
Nach Aufruf des Luftschutzes sind alle Maßnahmen vorzubereiten, die einen wirksamen Luftschutz gewährleisten. Insbesondere gilt folgendes:

1.  Friedensmäßig genutzte Luftschutzräume sind   so   herzurichten,   daß   sie   jederzeit zweckentsprechend benutzt werden können.
2.   Jeder   Hauseigentümer   muß   einen   einfachen Lageplan der in seinem Hause benutzten Luftschutzräume an den vom örtlichen Luftschutzleiter bestimmten Stellen
niederlegen.
3.   Inhaber von verschlossenen Räumen, die mit einfachen Geräten nicht gewaltsam zu
öffnen sind, haben den sofortigen Zutritt im Gefahrenfalle sicherzustellen.   Bei längerem Verlassen der Wohnungen ist dafür Sorge zu tragen, daß im Falle des Fliegeralarms die Wohnungen zugänglich sind.
4.   Sirenen und sonstige Signaleinrichtungen, deren Ton zu Verwechslungen mit Luftschutzsignalen führen könnte, dürfen nicht verwendet werden.
5.  Größere, im Freien verbleibende Tierbestände sind nach Möglichkeit in kleinere Gruppen zu unterteilen; Zirkusse, Menagerien und ähnliche bewegliche Anlagen
sind in Stadtrandgebiete umzuquartieren.

§ 2
Luftschutz mäßiges   Verhalten bei Fliegeralarm
(1)  
Personen, die sich in Gebäuden, insbesondere Wohnungen, Büros, Warenhäusern, Theatern, Lichtspieltheatern, Gastwirtschaften, Wartehallen, Vergnügungsstätten usw. befinden, haben sich sofort, soweit vorhanden mit Gasmaske, in die Luftschutzräume oder Deckungsgräben zu begeben. Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf Personen, deren körperlicher Zustand dies nicht zuläßt, auf ihr Pflegepersonal sowie auf Personen, für die Ausnahmebestimmungen gemäß §§ 6, 7 und 7 a gelten.
(2)    Wer vom Fliegeralarm auf öffentlichen Straßen betroffen wird, hat vorhandene Luftschutzräume oder Deckungsgräben aufzusuchen. Im übrigen hat er sich so zu verhalten, daß er und die von ihm mitgeführten Sachen oder Tiere keine Gefahr für andere bedeuten und Luftschutz - insbesondere Löschmaßnahmen nicht hindern.
(3)    Der örtliche Luftschutzleiter kann Personen, für die im Hause keine geeigneten Luftschutzräume vorhanden sind, in andere Luftschutzräume einweisen. Straßenpassanten sind in die Luftschutzräume aufzunehmen, soweit der Raum ausreicht. Wo keine ausreichenden Luftschutzräume vorhanden sind, ist ihnen durch Aufnahme in überdeckte Räume Schutz gegen Splitter zu gewähren. Das gilt nicht, wenn Bestimmungen über Geheim- oder Betriebsschutz entgegenstehen.
(4)     Im Luftschutzraum hat jeder diejenigen Rücksichten auf die Gemeinschaft zu nehmen, die das Zusammensein auf beschränktem Raum unter den obwaltenden Umständen erfordert. Insbesondere darf nur in abgesonderten Räumen, die hierfür bestimmt sind, geraucht werden. Tiere dürfen in Luftschutz räume, die von mehr als einer Familie benutzt werden, nicht mitgenommen werden ; ausgenommen sind Blindenhunde und Diensthunde, die mit Maulkorb versehen sind und an der Leine geführt werden. Den Anordnungen der Ordner, des Luftschutzwarts oder der sonst mit der Aufsicht im Luftschutzraum betrauten Personen ist Folge zu leisten.
(5)    Die Hauptzugangstüren zu den Hausböden, die Türen zu Vorgärten und die Haustüren in Mehrfamilienhäusern mit abgeschlossenen Einzelwohnungen sind unverschlossen zu halten. Die Inhaber von Wohnungen und Räumen aller Art . einschließlich der zu Wohnzwecken benutzten Bodenkammern und der Trockenräume haben die Wohnungen und Räume offen zu halten oder die Schlüssel mit deutlicher Beschriftung dem Luftschutzwart oder dessen Stellvertreter zur Mitgabe an die während des Alarms im Hause Kontrollgänge durchführenden Selbstschutzkräfte auszuhändigen, sofern der Wohnungsinhaber nicht selbst an den Kontrollgängen teilnimmt. In Häusern, in denen kein Luftschutzwart wohnt, tritt an seine Stelle die von dem zuständigen Luftschutzwart bestimmte Selbstschutzkraft.
(6)     Weitere Bestimmungen über den Straßenverkehr bei Fliegeralarm werden vom Reichsminister des Innern und vom Reichsverkehrsminister im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Luftfahrt und Überbefehlshaber der Luftwaffe erlassen.

 

§ 3
Luftschutz mäßiges Verhalten bei öffentlicher Luftwarnung
Inwieweit Maßnahmen, die für den Fall des Fliegeralarms vorgeschrieben sind, auch bei öffentlicher Luftwarnung durchzuführen sind, bestimmen der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe oder die von ihm ermächtigten Dienststellen.
 

 

Teil II

§ 4
Weisungsbefugnis
Den zur Durchführung dieser Verordnung ergehenden Anordnungen der Polizei- und Hilfspolizeibeamten sowie der Betriebsführer, Werk- und Betriebsluftschutzleiter, Führer im Selbstschutz, der Ordner in öffentlichen Luftschutzräumen und der Luftschutzbunkerwarte innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches ist Folge zu leisten.

§ 5   
 Bekanntmachungen
Die nach den Vorschriften dieser Verordnung durchzuführenden Maßnahmen sind bei Aufruf des Luftschutzes durch den örtlichen Luftschutzleiter in geeigneter Weise bekanntzumachen.
Ausnahmen
 

§ 6
(1)
   Die von dem Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei zu bestimmenden Hoheitsträger der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei können nach Bestimmungen, die der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei erläßt, von der Vorschrift des § 2 Abs. 2 abweichen.
(2)     Im Rahmen der Weisungen des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe kann auf den Gebieten des Werkluftschutzes und des Erweiterten Selbstschutzes von den Vorschriften dieser Verordnung abgewichen werden.


§ 7
(1)    Die Wehrmacht und die Polizei können von   den  Vorschriften  dieser  Verordnung  abweichen, soweit die Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben es erfordert.
(2)      Abs. l gilt auch für Amtsträger des Reichsluftschutzbundes  und  Luftschutzkräfte  in "Erfüllung ihrer Luftschutzaufgaben”.
 


§ 7a
Erleichterungen
Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe oder die von ihm bestellten Dienststellen können Erleichterungen von den Vorschriften dieser Verordnung anordnen oder zulassen.

§ 8
Luftschutzübungen
Bei Luftschutzübungen gelten die Vorschriften dieser Verordnung sinngemäß. Die Kreispolizeibehörde kann Erleichterungen von den Vorschriften dieser Verordnung durch Bekanntmachung zulassen, wenn es mit Rücksicht auf die «Allgemeinheit (Wirtschaft, Verkehr) notwendig ist.

§ 9
Photographierverbot
(1)
    Durch Luftangriffe entstandene Schadenstellen dürfen nur mit Genehmigung der Ortspolizeibehörde oder der vom Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe bestimmten Stellen photographiert werden.
(2)     Luftschutzanlagen   und   Luftschutzübungen dürfen nicht photographiert werden, wenn ein entsprechendes  Verbot bekanntgegeben ist.

§10
Überwachung
(1)  
  Der Ortspolizeiverwalter überwacht die Durchführung dieser Verordnung. Zur Durchführung kann er polizeiliche Verfügungen erlassen und diese mit Zwangsmitteln (Ausführung der zu erzwingenden Handlung auf Kosten des Pflichtigen, Festsetzung von Zwangsgeld — im Nichtbeitreibungsfalle Zwangshaft —. unmittelbarer Zwang) durchsetzen.
(2)     § 17 und §21 außer Abs. 3 der Ersten Durchführungsverordnung   zum   Luftschutzgesetz   in der Fassung vom 3 1. August 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 507) finden entsprechende Anwendung.
(3)     Bei Verstößen gegen die Vorschrift, Luftschutzräume oder Deckungsgräben aufzusuchen, können Strafen und Zwangsmittel nach § 9 des Luftschutzgesetzes in der Fassung vom 31. August 1943   (Reichsgesetzbl.  I  S. 506)   und  § 17  der Ersten   Durchführungsverordnung   zum   Luftschutzgesetz     allgemein     angewandt    werden, wenn   jemand   außerhalb   von   Gebäuden   vom Fliegeralarm betroffen wird (§ 2 Abs. 2), innerhalb von Gebäuden (§ 2 Abs. 1) nur dann, wenn die Zuwiderhandlung von Personen begangen wird, die sich in Dienststellen und Betrieben des Erweiterten Selbstschutzes, des Werkluftschutzes oder in öffentlich zugänglichen Betrieben und Dienststellen des Selbstschutzes aufhalten. Die Bestrafung bei Verstößen gegen Dienstobliegenheiten gemäß § 9 Abs. 4 der Ersten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz bleibt unberührt.
 

 

Quelle: Reichsgesetzblatt 1943 Teil 1, vom 31. Aug. 1943, Seite 523 - 524
 

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