Reichswassergesetz
Von Magistratsoberbaurat F. Langbein, Direktor der Berliner Stadtentwässerung, Berlin
 
Notwendigkeit der Schaffung eines Reichswassergesetzes
Der Wunsch, das Wasserrecht innerhalb des Deutschen Reiches einheitlich zu gestalten, ist in der Fachpresse bereits seit Jahrzehnten zum Ausdruck gebracht worden. Die Anwendung der zahlreichen, meist stark voneinander abweichenden Wassergesetze der Länder hat auf diesem wichtigen Rechtsgebiete eine derartige Zersplitterung herbeigeführt, daß Abhilfe dringend geboten ist. Da die Verfassung des Deutschen Reiches die Regelung der Wasserrechtsfragen den einzelnen Ländern zugewiesen hatte, war jedoch seither eine einheitliche Zusammenfassung nicht möglich. Erst jetzt, nachdem die nationalsozialistische Staatsführung den Schwerpunkt der Verwaltung von den Ländern auf das Reich verschoben hat, ist der Weg für die Schaffung eines Reichswassergesetzes frei geworden. Zahlreiche wasserwirtschaftliche Verbände, unter ihnen auch die Abwasserfachgruppe der Deutschen Gesellschaft für Bauwesen, sind daher zur Zeit bemüht, diesen Weg zu bereiten und dem Wasserrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht Unterlagen zu liefern, die er bei der Lösung der ihm gestellten Aufgabe, ein Reichswassergesetz zu entwerfen, nutzbringend verwerten kann.
Bereits am 10. Juni 1932 hatte ich in einem vor der genannten Fachgruppe gehaltenen Vortrage über die Abwasserwirtschaft im Rahmen des geplanten Reichsstädtebaugesetzes darauf hingewiesen, daß die Wassergesetzgebung der Länder keine Möglichkeit bietet, schon bei der Aufstellung von Plänen für die Geländeerschließung und die Geländenutzung die wasserwirtschaftlichen Belange zu berücksichtigen, und hatte zugleich die Bedeutung einer einheitlichen reichsgesetzlichen Regelung der gesamten Wasserwirtschaft hervorgehoben 1). Unter dem Leitsatz: „Für ein einheitliches deutsches Wasserrecht" veranstaltete dann die Abwasserfachgruppe am 9. Dezember 1933 eine wissenschaftliche Tagung, bei der sowohl die allgemeinen für die Vereinheitlichung des deutschen Wasserrechts sprechenden Gesichtspunkte als auch zahlreiche Sonderfragen behandelt wurden2).
Nunmehr hat der Vorsitzende des Wasserrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht über die bisherigen Ausschußarbeiten einen Bericht veröffentlicht, der sich allerdings nur auf die natürlichen Wasserläufe bezieht, aber doch schon jetzt eine erfreuliche Übereinstimmung der Ansichten der maßgebenden Wasserfachleute erkennen läßt 3). Hiernach ist es zweifellos, daß die Grundlage des neuen Reichswasserrechts nicht wie bei den meisten Ländergesetzen das Privatrecht, sondern das öffentliche Recht bilden wird. Auch das neue preußische Gesetz zur Einschränkung der Rechte am Wasser vom 19. März 1935 geht hinsichtlich der Sicherstellung, der Verleihung und der Zwangrechte am Wasser diesen Weg, In welchem Umfange der Ausschuß die in diesem Bericht enthaltenen allgemeinen Gesichtspunkte auf den gesamten Wasserschatz des Deutschen Reiches ausdehnen wird, kann heute noch nicht übersehen werden. Es sei aber gestattet, diesen Gedanken, dessen Verwirklichung erstrebt werden müßte, durch nachstehende Leitsätze zum Ausdruck zu bringen, die ich dem Vorsitzenden des Wasserrechtsausschusses im Namen der Abwasserfachgruppe unterbreitet habe und die ich hiermit zum ersten Male der Öffentlichkeit übergebe.

Vorschlag für Leitsätze
1. Der deutsche Wasserschatz, der die Gesamtheit des jeweils   innerhalb   der   Reichsgrenzen   befindlichen Wassers umfaßt, ist Volksgut und wird zum Wohle des deutschen Volkes vom Reiche verwaltet 4).
2. Soweit das Gesetz nicht Ausnahmen zuläßt, ist ohne Genehmigung  der  Wasserbehörde  niemand berechtigt,  das  Wasser  durch  künstliche  Maßnahmen zu beeinflussen.
3 Träger des Wassers sind der deutsche Grund und Boden und die von Menschenhand geschaffenen künstlichen Behälter.
4. Das Wasser bildet zusammen mit seinem Träger das Gewässer.
5. Gewässer, deren Träger der Grund und Boden ist, heißen „offene Gewässer", Gewässer, deren Träger künstliche  Behälter sind, heißen  „geschlossene Gewässer".
6. Je nachdem das Wasser eines Gewässers auf oder unter der Erdoberfläche   beständig   oder zeitweilig fließt oder steht, werden folgende Arten von offenen und geschlossenen Gewässern unterschieden:


A.   Offene  Gewässer


a) mit fließendem Wasser
a) Offene, oberirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig in natürlichen oder künstlichen Betten fließendem Wasser (Wasserläufe).
 

 Offene, unterirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig fließendem Wasser (Grundwasserströme).
mit stehendem Wasser
a) Offene, oberirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig in natürlichen oder künstlichen Betten stehendem Wasser (Meere, abflußlose Seen, Teiche, Tümpel).
ß) Offene, unterirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig stehendem Wasser (Grundwasserseen).

Geschlossene  Gewässer
a) mit fließendem Wasser
a) Geschlossene, oberirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig fließendem Wasser (oberirdische Wasserleitungen).
 

Geschlossene, unterirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig fließendem Wasser (Unterirdische Wasserleitungen, eingerohrte Strecken von Wasserläufen).

mit stehendem Wasser
a) Geschlossene, oberirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig stehendem Wasser (Wassertürme).
b) Geschlossene, unterirdische Gewässer mit beständig oder zeitweilig stehendem Wasser (Zisternen).
 

7. Das Eigentum am Träger eines Gewässers unterliegt, soweit  nicht  in  diesem   Gesetz   etwas  anderes bestimmt ist, den für das Eigentum von Grundstücken und Sachen geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
8. Hinsichtlich   der   Gewässerträger   bleiben   die   bisherigen Eigentumsverhältnisse bestehen; das jeweils in den Trägern befindliche Wasser wird Volksgut.
9. Dem   gesetzlich   festgelegten   Gemeingebrauch   am Wasser steht der Privatgebrauch gegenüber, der in soweit ausgeübt werden darf, als  sich Wasser mit behördlicher Genehmigung vorübergehend im Besitz (nicht im Eigentum)  Privater befindet.

Auf Einzelheiten dieser umfangreichen Rechtsfragen einzugehen, ist im Rahmen des vorliegenden Kurzberichtes nicht möglich. Insbesondere müssen die wichtigen Gesichtspunkte über die Aufrechterhaltung, Ablösung oder Beseitigung bestehender Rechte am Wasser unerörtert bleiben. Erwähnt sei nur, daß auch der Ausschuß für Bodenkulturrecht der Akademie für Deutsches Recht, der unter anderem das Recht der Wasser- und Bodenverbände behandelt, sich mit wasserrechtlichen Fragen beschäftigt, so daß vor der endgültigen Gestaltung des neuen Reichswassergesetzes die Arbeiten des Wasserrechts- und des Bodenkulturrechtsausschusses zu einem einheitlichen Ganzen zusammengeschweißt werden müssen 5). Auch wird noch zu erwägen sein, ob es zweckmäßig ist, ein neues Reichs Wassergesetz zu erlassen, bevor nicht ein einheitliches Reichsverwaltungsrecht geschaffen ist.
Schon heute ist erkennbar, daß der Erlaß des Reichswassergesetzes ein bedeutsamer Schritt vorwärts sein wird, auf dem allein richtigen Wege, den lebenswichtigen Naturstoff „Wasser" privaten Zugriffen zu entziehen und ihn als „Volksgut" zu betrachten, das vom Reiche, gewissermaßen als Treuhänder, zum Wohle des deutschen
Volkes verwaltet wird.



1) F. Langbein, Schriftenreihe der Abwasserfachgruppe der Deutschen Gesellschaft für Bauwesen Heft l, Berlin 1934, S. 29.
2)Vgl. Gesundh.-Ing. Bd. 57 (1934) Nr. 9.
3)P. Schlegelberger, Z. Akad. Deutsch. Recht Bd. 2 (1935) Nr. 6 S. 338.

4) F. Langbein,Bauing. Bd. 16 (1935) S. 148.

5) Riecke, Z. Akad. Deutsch. Recht Bd. 2 (1935) Nr. 6 S. 333.

Quelle: VDI Zeitschrift 1935
 

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