Allgemeines
Zur Regelung der gewerblichen Wirtschaft wurden kurz vor Ausbruch des Krieges durch die Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung vom 27.8.1939 für die Bereiche der Wehrkreise Bezirkswirtschaftsämter (seit 1942: Landeswirtschaftsämter) errichtet. Die unteren Verwaltungsbehörden hatten nach dieser Verordnung in den Land- und Stadtkreisen Wirtschaftsämter einzurichten. Ihre Aufgaben wurden von den zuständigen Reichsbehörden bestimmt. Diese Ämter sind auch heute noch Bestandteile der unteren Verwaltungsbehörden. Sie erhielten ihre Weisungen von den Landeswirtschaftsämtern.
Die Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs des deutschen Volkes vom  27.8.1939 ordnete gleichzeitig die Einführung von Bezugscheinen für bestimmte Bedarfsgüter an. Der Letztverbraucher konnte nach dieser Verordnung z. B. Seifen, Seifenpulver und andere fetthaltige Waschmittel, Hausbrandkohle, Spinnstoffe und Schuhwaren sowie Leder zur Ausbesserung und Besohlung von Schuhen fortan nur gegen Bezugscheine erwerben. In dieser Verordnung war weiter bestimmt, daß die Liste der bezugscheinpflichtigen Verbrauchsgüter gekürzt oder erweitert werden konnte. Tatsächlich kam es in der Folgezeit nur zu einer Ausdehnung der Bezugsbeschränkung; so wurden nach und nach in die Bewirtschaftung einbezogen Wohn- und Küchenmöbel, Büromöbel aller Art, alle eisernen Haushaltsgeräte, sämtliche Besen und Bürstenwaren, ferner Fahrräder, Fahrradbereifung und Fahrradbeleuchtung. Auch der Verkauf von Tabakwaren wurde nach den Weisungen des Reichswirtschaftsministers bezugscheinpflichtig gemacht.
Aufbau des Wirtschaftsamtes
Der Aufbau vollzog sich zunächst reibungslos. Das notwendige Personal wurde der übrigen Verwaltung entnommen und beim Wachsen der Aufgaben durch neu eingestellte Hilfskräfte ergänzt. Der besonders im Jahre 1943 einsetzende Bombenkrieg erschwerte die Arbeiten der Dienststelle erheblich. Jeder Angriff vernichtete Wohnungen und deren Einrichtungen. Der Bedarf der Bevölkerung an Versorgungsgütern stieg deshalb ins Unermeßliche. Die Planmäßigkeit der Versorgung mußte darunter naturgemäß stark leiden. Immer häufiger wurden Sofortmaßnahmen erforderlich, die schließlich keine vorbedachte Regelung mehr aufkommen ließen. Die dadurch bedingten, stets sich wiederholenden Änderungen der Bewirtschaftungsanordnungen erschwerten die Arbeitsweise und bewirkten eine Vergrößerung des Arbeitsraums und des Personalbestandes.
Da es nicht möglich war, die Verteilung der Bezugsrechte von einer einzigen Stelle aus vorzunehmen, waren mehrere Außenstellen über das Stadtgebiet verteilt, die die Ausgabe besorgten. Von ihnen und von den im Jahre 1947 zur Gewährleistung einer gerechten Verteilung gebildeten Unterausschüssen ist in dem nachfolgenden Kapitel „Zentrale des Ernährungs- und des Wirtschaftsamts" die Rede. Wiederholt wurden ganze Abteilungen des Wirtschaftsamtes durch Bomben zerstört. Wertvolles Aktenmaterial und ganze Büroeinrichtungen gingen dabei verloren. Das ist auch der Grund dafür, daß mit zahlenmäßigen Unterlagen, die die Tätigkeit des Wirtschaftsamts in der Kriegszeit veranschaulichen könnten, leider in vielen Fällen nicht gedient werden kann.



Spinnstoffe
Zur Sicherung einer gleichmäßigen Durchführung der dem Wirtschaftsamt übertragenen Aufgaben mußten nicht nur ausführliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, sondern auch die Formen der als Ausweise über die Bezugsberechtigungen dienenden Bescheinigungen bestimmt werden. Der Umfang der zu befriedigenden Bedürfnisse und die sachliche Notwendigkeit, das Lebensalter, den Beruf oder das Geschlecht bei der Zuteilung zu berücksichtigen, führten schon in der ersten Zeit zu einer Großzahl der verschiedenartigsten Bezugsberechtigungsbescheinigungen, die mit zunehmender Dauer der Bewirtschaftung weiter anstieg. Das Mosaik vergrößerten die Reichsbehörden, Wirtschaftsverbände und anderen Stellen, die ebenfalls in vielen Fällen Bezugsberechtigungsbescheinigungen oder sonstige Erklärungen mit gleicher Rechtswirkung abgaben. Als Beispiele seien genannt:
Uniformbezugscheine, Schuh- und Lederwaren an Uniformträger der Wehrformationen und Reichsverwaltungen, Einwilligungsbescheide des Sonderbeauftragten für die Spinnstoffwirtschaft oder der Reichsstelle für Kleidung zur Beschaffung von Spinnstoffwaren durch öffentliche Stellen (Großverbraucher).

Die Bezugsberechtigungen waren nicht übertragbar. Bezugscheine durften jedoch dritten Personen zur Besorgung von Einkäufen für den Bezugscheinberechtigten überlassen werden. Die Erteilung eines Bezugscheines begründete keinen Anspruch auf Lieferung bezugscheinpflichtiger Verkaufsgüter.

In den ersten Wochen nach Ausbruch des Krieges wurden Bezugscheine ohne kleinliche Prüfung des wirklichen Bedarfs ausgestellt. Richtunggebend waren Anweisungen über den üblichen Bestand eines Normalverbrauchers. Da indessen mit zunehmender Verknappung zu rechnen war und außerdem die Bedarfsprüfung mit der Zeit auf Schwierigkeiten stoßen mußte, verfiel man auf den Gedanken der Einführung einer allgemeinen Reichskleiderkarte. Am 1.11.1939 trat sie erstmalig in Erscheinung. Sie stellte sich dar als ein Stammabschnitt, dem 72 Teilabschnitte für die verschiedensten Kleidungsstücke anhingen, und die eine zeitlich recht ausgedehnte Gültigkeit hatten. Für Säuglinge, für Kinder im 2. und 3. Lebensjahre sowie für solche von 3 bis 14 Jahren gab es besondere Kleiderkarten. Die Rückgabe hatte unverzüglich zu erfolgen, wenn die Bezugsberechtigung durch Tod, durch Einberufung zur Wehrmacht oder andere Umstände nachträglich erlosch.
Außerdem berechtigte zum Bezüge bewirtschafteter Spinnstoffwaren ein besonders vom Wirtschaftsamt ausgestellter Bezugschein, der nach Anweisung höherer Stellen für Ausnahmefälle, etwa bei einer Familientrauer oder für bestimmte Zwecke, z. B. für Arbeits- und Berufskleidung, gewährt wurde.
Für die anfangs bewirtschafteten Verbrauchsgüter gaben die unteren Verwaltungsbehörden einheitliche Ausweiskarten aus, die neben einem Stammabschnitt 72 Teilabschnitte enthielten, auf denen bezugsfähige Verbrauchsgüter verzeichnet waren. Jedem Verbraucher stand nur eine Ausweiskarte zu. Ihre Rückgabe hatte unverzüglich zu erfolgen, wenn die Bezugsberechtigung nachträglich erlosch (z. B. durch Tod oder Einberufung zur Wehrmacht).
Zum Bezüge der bewirtschafteten Verbrauchsgüter berechtigten aber auch Bezugscheine, die in eigens geregelten Fällen von den unteren Verwaltungsbehörden bei besonderem Bedarf ausgestellt wurden.


Die Kleiderkarte galt nunmehr als Bezugsunterlage. Wenn eine Verkaufsstelle Abschnitte der Kleiderkarte gegen Lieferung von bezugsbeschränkten Waren angenommen hatte, war sie verpflichtet, die Abschnitte bei der Punktverrechnungsstelle abzuliefern. Auch alle nach dem. 1.11.1939 ausgestellten Bezugscheine, die zur Wiederbeschaffung von Waren dienten, mußten bei dieser Stelle abgeliefert werden.
Die Punktverrechnungsstellen hatten die Aufgabe, für die Geschäftsbetriebe sog. Punktguthaben zu führen, über die der Konteninhaber zur Beschaffung von Waren in der Weise verfügen konnte, daß er bezugsbeschränkte Spinnstoffe mittels hierzu ausgestellter Schecks einkaufte. In Bochum wurde zunächst die Punktverrechnungsstelle bei der Städtischen Sparkasse errichtet. Weitere Verrechnungsstellen wurden im Interesse der Bevölkerung bei den Zweigstellen der Kommunalbank in deren Außenstellen eingerichtet.
Der Bewirtschaftungsstand auf dem Textilgebiet, den man in seinen Grundzügen als bleibend ansehen konnte, zeichnete sich nunmehr wie folgt ab:
1. Für den Verbraucher:
Das Bewirtschaftungssystem war einfach; es gab dem Verbraucher ein leicht zu handhabendes Mittel, die Reichskleiderkarte, in die Hand und überließ ihm die Anwendung nach freiem Ermessen.
2. Für den Verteiler:
Für Handwerk, Groß- und Einzelhandel trat an die Stelle des bisher losen Bezugscheinwesens ein straffes Punktverrechnungsverfahren, das das Bewirtschaftungssystem in den Verteilerstellen selbst und in deren Beziehungen zur Warenerzeugung auf eine klare Linie brachte.
Die Ausgabe der 2. Reichskleiderkarte wurde zum 1.9.1940 angeordnet. Gleichzeitig erfolgte die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der ersten bis zum 31.3.1941. Die Bezugsabschnitte der zweiten Karte waren auf 150 erhöht worden. Insofern lag also eine Besserstellung der Verbraucher vor.
Bei den späteren Ausgaben waren zu unterscheiden Karten, die der Versorgung in einem bestimmten Zeitabschnitt dienten, und solche, die zur Deckung des Bedarfs besonderer Personenkreise bestimmt waren. Zu den Karten für bestimmte Zeitabschnitte gehörten:
1. die 3. Reichskleiderkarte sowie die dazu gehörige Zusatzkleiderkarte für Jugendliche (zunächst ausgegeben für den Versorgungsabschnitt vom 1. 9- 1941 bis 31. 12. 1942 - verlängert bis zum 31.12.1944);
2. die 4. Reichskleiderkarte und die damit ausgegebene Zusatzkleiderkarte für Burschen und
Mädchen (für den Versorgungsabschnitt vom 1.1.1943 bis Ende Juli 1944 - verlängert bis zum 31.  12.  1945);
3. die 5- Reichskleiderkarte für den Versorgungsabschnitt vom  1.7.1944 bis Ende des Jahres  1945.
 

Zu den Karten für bestimmte Personenkreise gehörten:
1. die 2. Säuglingskarte mit je 150 Bezugsabschnitten für Erstgeborene und mit 100 Bezugsabschnitten für Nachgeborene. Diese Karten wurden mit Vollendung des 1. Lebensjahres   ungültig.   Die   Wirtschaftsämter   hatten dann eine Kleinkinderkarte auszuhändigen;
2. die   Zusatzkleiderkarte  für   werdende Mütter mit 50 Bezugsabschnitten
3 die Zusatzkleiderkarte für Schwerfliegergeschädigte mit je 50 Bezugsabschnitten und einem Bezugsausweis für l Paar Strümpfe oder Socken.

Die Zusatzkarten wurden nach Ablauf eines Jahres seit dem Ausgabetage ungültig.
Im Jahre 1942 wurde von der Reichsstelle für Bekleidung eine Altkleider- und Spinnstoffsammlung angeordnet. Die Verwertung der Altkleidung erfolgte durch die Landeswirtschaftsämter und die Wirtschaftsämter.
Die allgemeine Versorgung der Bevölkerung mit Spinnstoffwaren bei Fliegerschäden erfolgte ausschließlich nach dem Runderlaß des Reichswirtschaftsministers vom 17. 11. 1943. Besondere Zuweisungen von Spinnstoffwaren an die durch Fliegerangriffe geschädigten Bezirke erfolgten nur, wenn es sich um Mittel- oder Großschäden handelte. Kleinere Schäden, d. h. Schäden, die im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl die Versorgung nicht wesentlich beeinträchtigten, mußten vom örtlichen Handel ohne besondere Zuweisung ausgeglichen werden. Die besonderen Zuweisungen im Falle von Mittelschäden erfolgten durch das FL-Scheck-Verfahren. Die Reichsstellen ermittelten im Einvernehmen mit den Landeswirtschaftsämtern jeweils die Zahl der fliegergeschädigten Personen, die der Belieferung durch FL-Schecks zugrunde zu legen war, und stellte einen Schlüssel fest, nach welchem FL-Schecks für Bekleidungs- oder Wächestücke an Frauen, Männer, Knaben, Mädchen und Kleinkinder ausgegeben werden durften. Diesem Schlüssel entsprechend erhielt der Textil-Einzelhandel in den fliegergeschädigten Orten die Berechtigung, eine entsprechende Anzahl von Punktschecks zur Umwandlung in FL-Schecks der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel einzureichen. Im Falle von Großschäden hatte das Wirtschaftsamt im Wege der Soforthilfe aus den Lagerbeständen der Bekleidungs-, Textil- und Leder G.m.b.H. entsprechende Anforderungen zu stellen.
Für die Versorgung der Fliegergeschädigten mit Bedarfsgütern aller Art hatte das Wirtschaftsamt Richtlinien für die Arbeit der nach jedem Angriff zu bildenden Einsatzstäbe herausgegeben. Grundsätzlich mußte auch die Versorgung der Fliegergeschädigten innerhalb der vom Reichswirtschaftsminister oder von den sonstigen zuständigen Stellen getroffenen Bewirtschaftungsanordnungen erfolgen. Verantwortlich für die Einhaltung der erlassenen Bestimmungen waren die Einsatzstellenleiter. Alle Versorgungsmaßnahmen bezogen sich in erster Linie auf die Gewährung der ersten Hilfe. Dabei stand naturgemäß die Erteilung von Bezugsrechten für Spinnstoffwaren im Vordergrund. Diese durften selbst im Großschadensfalle erst 4 Tage nach dem Angriff ausgegeben werden. Nur im Falle der größten Not hatte das Wirtschaftsamt sofort zu helfen.
Bei dieser Gelegenheit sei gleichzeitig darauf hingewiesen, daß sich nach Fliegerschäden die Ausgabe von Bezugsrechten durch die Einsatzstäbe des Wirtschaftsamtes neben den Spinnstoffwaren auch auf den sonstigen dringendsten Bedarf erstreckte, so auf Schuhwaren, Seifenerzeugnisse, Waschmittel, Rasierseife, Petroleum, Kerzen, auf Haushalts- und auf sonstigen Bedarf wie Betten, Bettstellen, Matratzengarnituren, Schlafdecken, Inletts, Bettfedern u. a. mehr. Bezugsmarken für Möbel, Herde, Öfen und andere Haushaltsgeräte aus Eisen und Metall durften in der Regel nur dann ausgegeben werden, wenn der Geschädigte durch Vorlage einer Bescheinigung des Wohnungsamtes glaubhaft machte, daß er eine selbständige Wohnung hatte. Zum Einkauf des Haushalts- und sonstigen Bedarfs wurden vom Wirtschaftsamt die Fliegereinkaufsausweise eingeführt. Sie waren für die Dauer von 6 Monaten im ganzen Reichsgebiet gültig. Um eine geregelte und gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten, waren für Spinnstoffe, Schuhe und Haushaltgeräte bestimmt kontingentierte Ausstattungslisten herausgegeben worden. Eine zusätzliche Versorgung mit Bezugsrechten durfte nur nach sorgfältiger Prüfung des Wartschaftsamtes bei außerordentlichen Notständen erfolgen.
Die anfänglich straff gelenkte und gut organisierte Spinnstoffversorgung litt erheblich unter den zunehmenden Fliegerangriffen. Die Gründe hierfür sind bekannt; unzählige Vorratsläger gingen im Bombenhagel unter und konnten nun die Verteilergeschäfte nicht mehr beliefern, die Transportschwierigkeiten nahmen Überhand, und schließlich war auch die Nachrichtenübermittlung nahezu ausgeschaltet. Ein großer Teil des dürftigen, in den Geschäften noch lagernden Vorrats wurde unmittelbar nach dem Zusammenbruch geplündert. Die bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien galten zwar zunächst weiter, die Versorgung konnte aber in nächster Zukunft wegen des allzu geringen Vorrats nur auf die dringendsten Fälle beschränkt bleiben. Dabei wurde sehr bald nach dem Einzug der Besatzungstruppen im April 1945 ein ungeheurer Bedarf offenbar, der sich täglich durch den Zustrom der Rückkehrer, Flüchtlinge und heimkehrenden Kriegsgefangenen steigerte. Zunächst versuchte man, einen klaren Überblick über die vorhandenen Bestände zu gewinnen. Die erste Erhebung wurde durch Verfügung vom 28. 5. 1945 angeordnet. Sämtliche Verkaufsstellen des Textileinzelhandels und des Schuhhandels mußten ihre Warenvorräte nach dem Stande vom 29. 5. 1945 auf einem Vordruck, der ihnen zugestellt wurde, dein Wirtschaftsamt zum 30. 5. 1945 melden. Gleichzeitig wurde angeordnet, daß sämtliche vor dem 15.4.1945 ausgestellten Bezugsrechte und alle sonstigen Bezugsrechte, auf denen nicht ausdrücklich die Bezieherfirma vermerkt war, nicht mehr beliefert werden durften.
Die nächste Bestandserhebung erfolgte nach dem Stande vom 28. 6. 1945. Hierbei waren die in Bochum vorrätigen und sofort greifbaren Bestände zu erfassen. Darüber hinaus mußten die außerhalb der Stadt Bochum in Ausweichlägern untergebrachten Waren noch gesondert gemeldet werden.
Durch Verfügung vom 27.7.1945 wurde eine Bestandserhebung zum 28. 7. 1945 angeordnet. In dem Rundschreiben vom 27. 7. 1945 an die Verkaufsstellen wurden diese darauf hingewiesen, daß das Wirtschaftsamt weiterhin nur in besonderen Fällen Bezugscheine ausstellte, die den mit einem Dienstsiegel überstempelten Vermerk „auszuliefern" tragen mußten. Ferner wurde darauf hingewiesen, daß Bezugscheine von anderen Städten unter keinen Umständen eingelöst werden durften. Es wurde weiter mitgeteilt, daß sämtliche Kleiderkarten zur Zeit ebenfalls gesperrt waren. Nur auf Punkte der Säuglingskarten, der Kleiderkarten für Kinder im 2. und 3. Lebensjahr und auf Zusatzkarten für werdende Mütter durfte Ware abgegeben werden. Polsterwarengeschäfte und Möbelhändler wurden zur Bestandserhebung für Matratzen aufgefordert. Gleichzeitig wurden die Einzelhandelsgeschäfte weiterhin aufgefordert, dem Wirtschaftsamt außerdem laufend zu melden, was dm Laufe des Monats August 1945 an Waren einging.
Unter dem 8. 8. 1945 'wurde den Einzelhändlern mitgeteilt, daß der Regierungspräsident in Arnsberg die durch ihn verfügte Sperre der Reichskleiderkarten, Fliegerbezugscheine und anderen Bezugsrechte aufgehoben habe. Demnach berechtigten folgende Reichskleiderkarten wieder zum Einkauf punktpflichtiger Spinnstoffwaren:
die 2. Reichskleiderkarte für Säuglinge, die 5. Reichskleiderkarte für Kleinkinder von   l—3 Jahren, die 5. Reichskleiderkarte für Knaben von 3—15 Jahren, die 5. Reichskleiderkarte für Mädchen von 3—15 Jahren, die 5. Reichskleiderkarte für Burschen  von   15—18  Jahren, die 5. Reichskleiderkarte für Mädchen  von   15—18  Jahren.

Für die 4. Reichskleiderkarte für Männer und Frauen blieben die Einkaufsbeschränkungen nach §10 der Anordnung Nr.. l zur Durchführung der Anordnung 1/44 des Reichsbeauftragten für Kleidung und verwandte Gebiete vom 1. 4. 1944 weiter bestehen. Diese Einschränkungen bestanden darin, daß hochpunktwertige Kleidungsstücke wie Anzüge, Winterkleider und Wintermäntel nur nach Bedarfsprüfung und unter Abtrennung der dafür vorgesehenen Punkte durch das Wirtschaftsamt auf Bezugschein bezogen werden konnten. Für die den Einschränkungen nicht unterliegenden Artikel waren alle Abschnitte mit Fälligkeitsdatum und die bereits aufgerufenen Nummern 21—30 der Reichskleiderkarten für Frauen zum Bezüge gültig. Frei zum Bezüge blieb außerdem die Zusatzkarte für werdende Mütter.
Die Verkaufsstellen wurden durch ein Rundschreiben vom 15. 8. 1945 noch besonders darauf hingewiesen, daß nicht alle Bezugscheine, sondern nur die mit Auslieferungsvermerk versehenen beliefert werden durften.

Weitere Bestandsaufnahmen mußten am 28. 8. 1945 und 2. 10. 1945 erfolgen. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß die Aufforderungen von da ab entfallen würden, daß nunmehr die Einzelhandelsgeschäfte von sich aus jeden Wareneingang sofort dem Wirtschaftsamt zu melden hätten.

Wie ernst die Versorgung der Bevölkerung mit Spinnstoffen geworden war, möge ein Auszug aus dem Inhalt des an die Verkaufsstellen des Bochumer Textilwareneinzelhandels gerichteten Schreibens des Oberbürgermeisters dartun:
„Auf Anordnung des englischen Sonderbeauftragten für die Versorgung der Zivilbevölkerung hat der Herr Oberpräsident (Landeswirtschaftsamt Warendorf) eine sofortige Bestandserhebung über lebensnotwendige Verbrauchsgüter verfügt. Diese Erhebung ist von einschneidender Bedeutung für Maßnahmen zur Versorgung der Bevölkerung, insbesondere für die Versorgung der Arbeiterschaft des Ruhrbezirks. Ich erwarte daher, daß ihre Durchführung vom Handel nachdrücklich unterstützt wird."
 

Die Neuregelung der Bezugscheinausgabe und die Notwendigkeit ihrer Angleichung an die geringen, noch vorhandenen Warenbestände des Bochumer Handels führten zwangsläufig zu einer zentralen Bearbeitung des gesamten Bezugscheinwesens durch das Wirtschaftsamt; eine Aufteilung von Kontingenten auf die einzelnen Verwaltungs- oder Außenstellen war nicht mehr möglich. Das führte allerdings sehr bald zu einer derartigen Belastung des Wirtschaftsamtes, daß eine ordnungsmäßige Erledigung der täglich sich mehrenden Anträge fast nicht mehr möglich war. 200 Anträge je Tag bildeten die Regel; an manchen Tagen steigerte sich ihre Zahl sogar auf 300 bis 500. Außerdem befand sich noch eine Menge Fliegerbezugscheine im Umlauf, die nach den Novemberschäden des Jahres 1944 in überaus großen Mengen ausgestellt worden waren, aber nicht eingelöst werden konnten. Ihre 'immer wieder begehrte Verlängerung war aus praktischen Erwägungen nicht möglich. Nur 'in Notstandsfällen waren neue Anträge zugelassen, die ausschließlich im Rahmen der vorhandenen Warenbestände erledigt werden konnten. Diese standen aber in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf. Es fehlte besonders an Bekleidung für Männer, vor altem an Arbeits- und Berufsbekleidung, an Bettwäsche, Matratzen und Wolldecken. Die Antragsteller, die sich zum großen Teil aus entlassenen Wehrmachtsangehörigen, ehemals Umquartierten, Flüchtlingen und Konzentrationshäftlingen zusammensetzten, mußten immer und immer wieder vertröstet werden.
Das Wirtschaftsamt sagte für die Warenbeschaffung dem Einzelhandel jede Unterstützung, insbesondere durch die Bereitstellung von Lastkraftwagen und Betriebsstoff, zu. Das Landeswirtschaftsamt wurde gebeten, aus Überschußgebieten eine Warenabgabe nach Bochum zu erreichen. Die im Bergbaumuseum lagernden alten Uniformstücke wurden auf schnellstem Wege instandgesetzt, um als Arbeitsund Berufskleidung ausgegeben zu werden. Noch gut erhaltene Stücke wurden als sog. Unterwegsanzüge zur Verfügung gestellt.

Die Besatzungsbehörden hatten im Juni 1945 für die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung bezugsbeschränkter Spinnstoffwaren eine Anordnung erlassen, auf der folgende Einzelbestimmungen besonders bemerkenswert sind:

„Für die Ausgabe von Bezugsrechten muß in jedem Falle die warenmäßige Deckung vorhanden sein. In erster Linie ist die Versorgung von Spezialarbeitern sicherzustellen. Alle vor dem 15. 4. 1945 ausgestellten Bezugsrechte haben ihre Gültigkeit verloren. Die Form der Bezugsberechtigung ist in jedem Falle ein Einzelbezugschein des Wirtschaftsamtes. Die bisher ausgestellten reichseinheitlichen Bezugsmarken haben vorerst keine Gültigkeit mehr. Jedes Wirtschaftsamt schafft sich die erforderlichen Bezugsberechtigungen selbst. Der Einzelbezugschein ist auf ein in dem betreffenden Wirtschaftsbezirk gelegenes Einzelhandelsgeschäft namentlich auszustellen, das die betreffende Ware vorrätig hat. Der Bezugschein ist auf eine Gültigkeitsdauer von 4 Wochen zu befristen".
Nach einer Bedarfsermittlung im März 1946 lagen hinsichtlich der Spinnstoffe beim Wirtschaftsamt folgende Anträge vor:
1. Hüte16800
2. Anzüge   22 200
3. Kleider 8 000
4. Hemden 43 000
5. Nachthemden 12 600
6. Taschentücher 61 500
7. Strümpfe 44 000
8. Mäntel 23 100
9. Männerunterwäsche 32 000
10. Frauenunterwäsche 8 000
11. Kindermäntel 9 500
12. Kinderkleider 11 000
13. Kinder-Wäsche 6500
14. Matratzengarnituren 26 000
15. Bettzeug  (Garnituren) 47 200
16. Handtücher 70 000
17. Tischtücher 17 000
18. Arbeits- und Berufskleidung für Männer 30000  (ohne Bergbau)
                                                  für Frauen 5 000   (ohne Bergbau)
 
Besonders deutlich sichtbar wird die Schwierigkeit der Versorgungslage, wenn man dieser Bedarfsermittlung die hierunter auszugsweise veröffentlichte Bestandserhebung vom 30.4.1946 gegenüberstellt.

Am 7. 4. 1946 erließ die Militärregierung für das britische Kontrollgebiet die Bekanntmachung über die Kontrolle und Verteilung von Verbrauchsgütern. Die Warenbewirtschaftung wurde hierdurch wiederum grundsätzlich neu geregelt-

Alle Bezugsrechte, die sich am Tage des Inkrafttretens der Bekanntmachung im Besitz von Verbrauchern befanden, wurden außer Kraft gesetzt und für ungültig erklärt.
Unter die Spinnstoffbewirtschaftung fielen:
1. Kleidungsstücke aller Art für Männer,
Frauen und Kinder, einschließlich Säuglinge,
2. Haus- und Tischwäsche,
3. Stückware.

Nach dem Inkrafttreten durften nur Waren gegen neue Bezugsrechte ausgegeben werden.

Die mangelhafte Unterbringung des Wirtschaftsamtes im Rathaus erschwerte die Arbeiten mehr und mehr. Es war deshalb notwendig, zunächst einmal alle Abteilungen des Wirtschaftsamtes in geeigneten Räumen unterzubringen. Im April 1946 war das Ziel erreicht. Infolge der Antragshäufung entschloß sich das Wirtschaftsamt, die Ausgabe der Bezugsmarken wieder in die Außenstellen zu verlegen. Alle hierzu notwendigen Vorarbeiten wurden in der Zeit während der durch die Bekanntmachung der Militärregierung vom 7. 4. 1946 angeordneten, bis Ende Mai 1946 laufenden Bezugscheinsperre durchgeführt. Die Ausgabe der Bezugscheine für Arbeitskleidung und Arbeitsschuhe verblieb beim Wirtschaftsamt selbst. Außerdem wurden politisch und rassisch Geschädigte und zunächst auch werdende Mütter und Säuglinge unmittelbar vom Wirtschaftsamt betreut.

Im Jahre 1947 wurden dem Wirtschaftsamt zugewiesen und verteilt:


4 662 Bezugsmarken für Fertigwaren aller Art, 17 784 Bezugsmarken für Meterware.
In demselben Jahre konnten verteilt werden
Männeranzüge 563
Frauenkleider 719
Knabenanzüge 161
Mädchenkleider 587
Kleinkinderkleidung l 014
Wintermäntel für Männer 20
„                       Frauen 55
„                ,,    Knaben 75
„                     Mädchen 109
„           ,,        Kleinkinder115
Erwähnenswert sind noch zwei größere Sammlungen von Spinnstoffen und Schuhen, von denen die erste in der Zeit vom 30. 8. bis 6. 9. 1945 mit Genehmigung der Militärregierung zu Gunsten der notleidenden Bevölkerung durchgeführt wurde. Diese Sammlung stellte eine Hilfsaktion dar für die aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen Soldaten und die aus den Konzentrationslagern befreiten Mitbürger. Sie wurde ehrenamtlich durch die Verbände der freien Wohlfahrtspflege durchgeführt. Bei aller Not, die der Krieg und seine Folgen der Bevölkerung gebracht hatte, offenbarte sich dennoch eine ungewöhnlich große Opferbereitschaft; das Gesamtaufkommen betrug rd. 27 000 Bekleidungsstücke aller Art. Im einzelnen wurden aufgebracht:
7 118 Stück Spinnstoffwaren für Männer, u. a.
330 Stck. Anzüge 593 Stck. Hosen
1077    „    Taghemden  704    ,,    Joppen
437    „    Unterhemden  23    „    Arbeitsanzüge
583    „    Unterhosen  10    ,,    Arbeitshosen
217    „   Wintermänte   l12    ,,    Arbeitsjacken
27    ,,    Regenmäntel  457 Paar Schuhe
796 Paar Socken

10 156 Stück Spinnstoffwaren für Frauen, u. a.
651 Stck. Wollkleider
810 Stck. Schlüpfer
488    „    Röcke
402    „    Wintermäntel
1567    ,,    Blusen
15    ,,    Regenmäntel
1556    ,,    andere Kleider
12    ,,    Jackenkleider
1188    ,,    Taghemden
384 Paar Damenschuhe
946 Stück Spinnstoffwaren für Knaben, u. a.
53 Stck. Anzüge
35 Stck. Wintermäntel
228    „    Hosen
89    ,,    Jacken
126    ,,    Taghemden
68 Paar Schuhe
2064 Stück Spinnstoffwaren für Mädchen, u. a.
121 Stck. Wollkleider
80 Stck. Schlüpfer
106„    Röcke
157 Paar Strümpfe
301    „    Blusen                        
345 Stck. Schürzen
174    ,,    andere Kleider
73    ,,    Wintermäntel
164    ,,    Taghemden
66 Paar Schuhe
3569 Stück Spinnstoffwaren für Kleinkinder, u- a.
4431 Stck. Kleider
5256 Paar Strümpfe
402    ,,    Hemden
114 Stck. Wintermäntel
107„    Unterröcke
2    ,,    Regenmäntel
214    ,,    Höschen und            
185 Paar Schuhe
Spielanzüge
an Bett- und Hauswäsche, u. a.
135 Stck. Deckbettbezüge
204 Stck. Geschirrtücher
647    ,,    Kissenbezüge
3    ,,    Matratzen
1755    ,,    Handtücher
3    ,,    Oberbetten
Die gesammelten Bekleidungsstücke wurden zunächst im Bergbaumuseum, soweit es erforderlich
war, instandgesetzt. Bereits am 23. 10. 1945 waren  die gesammelten Bestände bis auf einzelne Stücke
ausgegeben- Der aus dieser Sammlung erzielte Gesamterlös betrug 20 319,60 RM.
Nach Abzug der durch die Sammlung   notwendig   gewordenen   Ausgaben in Höhe von 2 763,80 RM verblieb ein Überschuß von 17 555,80 RM, der zu  gleichen Teilen auf   die   drei Wohlfahrtsorganisationen wie folgt verteilt wurde:
a) Arbeiterwohlfahrt =  5851,94 RM,
b) Caritas-Verband =  5851,93 RM,
c) Innere Mission =   5851,93 RM.
Die Restbestände der Sammlung wurden an die Verbände der freien Wohlfahrtspflege verteilt, die sie nach eigenem Ermessen abgaben.

Auf Anordnung der Provinzial-Militärregierung vom 28. 9. 1945 mußte innerhalb der britischen Zone außerdem eine Kleider- und Bettsammlung durchgeführt werden. Der Zweck dieser Sammlung war, Vorräte und Reserven zu schaffen für Kriegsgefangene, Zivilarbeiter in lebenswichtigen Betrieben, ausländische Zwangsarbeiter und für einen mit giößter Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Flüchtlingsstrom aus dem Osten, über Art und Zweck dieser Abgabe wurde die Bevölkerung durch den Rundfunk und die Zeitung unterrichtet. Den deutschen Provinzialbehörden wurde die volle Verantwortung dafür übertragen, daß jeder Kreis die ihm von der Militärregierung auferlegte Menge aufbrachte. Von der Abgabe waren befreit Bergarbeiter und ihre Familien und Personen, die in deutschen Konzentrationslagern gewesen waren
 

Das Wirtschaftsamt versuchte, mit Rücksicht auf die allgemeine Notlage die Herausnahme der Stadt Bochum aus der Pflicht zur Kleidersammlung zu erreichen. Es wies darauf hin, daß die Vorräte in den Haushaltungen im Laufe der Kriegsjahre fast restlos aufgebraucht wären, und daß ein weiterer Bestand durch die zahlreichen Fliegerangriffe, denen die Stadt Bochum besonders ausgesetzt gewesen sei, in den Haushaltungen zum größten Teil vernichtet worden sei. Aber die Militärregierung verlangte trotzdem die Durchführung der sog. „Großen Provinzial-Umlage" auch von der Stadt Bochum. Es mußten aufgebracht werden:

Decken 18 000 Stck.
Kissenbezüge 2 185 Stck.
Bettlaken       2 800    „
Kissen 1000    „
Handtücher 6 185    „
Männerkleidung
Mäntel     976 Stck.         
Hemden   3 161 Stck.
Jacken          l 430  Stck.              
Unterhemden  2134  Stck.
Pullover        l 399   Stck.            
Hosen            l 752   Stck.         
Unterhosen  2 343   Stck.
Schuhe          2 175 Paar         
Socken 6 274 Paar
Frauenkleidung
Mäntel 490 Stck.
Unterhemden  393 Stck.
Kleider, Blusen, Röcke  590  Stck.
Schlüpfer 45  Stck.
Strümpfel 250 Paar
Pullover undTuchwesten 650   Stck.
Schuhe586    Stck.
Strumpfhalter  l 200 Stck.
Unterröcke 490   Stck.
Kinderkleidung
Mäntel 460 Stck.
Unterhosen, Schlüpfer         695    „
Jacken 245    „
kurze Hosen    190    ,,
Strümpfe, Socken 965 Paar
Anzüge 245    ,,
Unterhemden  695    ,,
Schuhe   518    ,,
Kleinkinderkleidung
20 Ausstattungen Skimützen = 15710 Stück.
Das Aufkommen aus dieser Provinzial-Umlage betrug rund 50 000 Bekleidungs- und Wäschestücke der verschiedensten Art. Hiervon mußten an die Kreissammelstelle Soest 30 900 Stücke abgegeben werden. Der Rest stand dem Wirtschaftsamt für die Bochumer Bevölkerung zur Verfügung. Die Ausgabe erfolgte hauptsächlich in den ersten Monaten des Jahres 1946. Kleine Restbestände wurden den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege Ende Mai 1946 übergeben.



Schuhwaren
Die Schuh- und Lederbewirtschaftung und damit die Versorgung der Bevölkerung war in der Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs vom 27. 8. / 7. 9. 1939 geregelt. Auch Schuhe und Besohlleder waren von Anfang des Krieges an der Bewirtschaftung unterstellt und vom Handel nur gegen Bezugscheine mit einer Gültigkeit von einem Monat an den Verbraucher abzugeben. Später wurde die Geltungsdauer auf 2 Monate ausgedehnt. Die Wirtschaftsämter erhielten vom Landeswirtschaftsamt ein bestimmtes Kontingent an Schuhen. Deshalb war die Zahl der vom Wirtschaftsamt ausstellbaren Bezugscheine beschränkt.

Bezugscheinfrei waren zunächst nur solche Straßenschuhe für Männer und Frauen, deren Oberteil ganz aus Lackleder bestand. Die Bezugscheinfreiheit für dieses Schuhwerk wurde deshalb gewährt, weil durch eine besondere Anordnung der Reichsstelle die weitere Herstellung dieser Schuhart verboten worden war. Ferner waren nicht bezugscheinpflichtig Kleinkinderschuhe aller Art bis zur Größe 24 einschließlich, soweit auch sie aus Lackleder bestanden.
Die Deckung des Zivilbedarfs an Schuhen und Besohlung mußte im Hinblick auf die gespannte Versorgungslage im Bereich der Lederwirtschaft auf das notwendigste Maß eingeschränkt werden. Demgemäß verfiel eine Vielzahl von Anträgen auf Erteilung von Bezugscheinen der Ablehnung durch das Wirtschaftsamt. Wohl stellte dieses immer wieder Anträge auf Erhöhung des Schuhwarenkontingents. Aber fast alle Anträge wurden zurückgewiesen, da eine zusätzliche Belieferung mit Schuhwaren nicht möglich war. Nur in besonderen Notfällen sollte nach eingehender Prüfung geholfen werden.
 

Die im Januar 1943 ausgegebenen Reichskleiderkarten für Knaben, Mädchen und Kleinkinder enthielten auch Kontrollabschnitte für Straßenschuhe und sonstiges Schuhwerk. Straßenschuhe für Männer und Frauen durften aber nach wie vor nur gegen Bezugschein ausgegeben werden. Das Wirtschaftsamt hatte bei Ausstellung von Bezugscheinen von der Kleiderkarte für Lederschuhe 6 Punkte, für leichte Straßenschuhe 3 Punkte und für Berufsschuhe 2 Punkte abzutrennen. Ab 1.1.1943 wurde der Schuhhandel verpflichtet, die vorgenannten Punkte vor Abgabe der Schuhe auf Bezugschein von der Kleiderkarte abzutrennen.
Bezugscheine wurden in zwei Arten ausgegeben; es gab einen Bezugschein I und einen Bezugschein II.
Der erstere war zu verwenden
1. für festes Schuhwerk (derbe Straßenschuhe), Burschen-, Mädchen- und Kinderschuhe, Größe 25 bis 35,
2. für bessere Hausschuhe, Turnschuhe mit einem Verkaufspreis von mehr als 3,— RM für Männer,   2,50  RM  für  Frauen  und  2,— RM  für Kinder,
3. für derbe Arbeitsschuhe,
4. für leichte Straßenschuhe.

Der Bezugschein II galt für leichte Straßenschuhe (Stoffstraßenschuhe, Sandalen usw.), für Hausschuhe mit einem Verkaufspreis bis zu 3,— RM für Männer, 2,50 RM für Frauen und 2,— RM für Kinder.
Das dem Wirtschaftsamt zugewiesene Schuhbezugsscheinkontingent wurde ermittelt nach den ausgegebenen Lebensmittelkarten. Es betrug z. B. für den Monat April 1940 auf je 100 zum Bezüge von Lebensmittelkarten berechtigte Einwohner für Straßenschuhe 2,25 Paar, für Arbeitsschuhe 0,25 Paar, für Haus- und Turnschuhe 3 Paar.

Die Beschaffung der Schuhe erfolgte auf Grund von Bestellscheinen des Handels über dessen zuständige Bezirksfachgruppe. Das Wirtschaftsamt hatte sich zwecks Errechnung der auf jeden Händler entfallenden Schlüsselzahl bei Aufteilung der monatlichen Bestellscheinkontingente mit dem zuständigen Kreisfachabteilungsleiter des Schuheinzelhandels in Verbindung zu setzen.

Für die Ausgabe von Arbeitsschuhen durch die Wirtschaftsämter waren von der Reichsstelle für Lederwirtschaft besondere Richtlinien herausgegeben, die sehr bald angesichts der schwierigen Versorgungslage in der Lederwirtschaft eingeengt wurden. Um den Wirtschaftsämtern eine möglichst klare Abgrenzung der zum Bezüge von Arbeitsschuhen Berechtigten gegenüber anderen Personen zu ermöglichen, wurde eine Liste von ungefähr l 000 Berufen aufgestellt, deren Angehörige regelmäßig auf Arbeitsschuhwerk angewiesen waren. Außerdem wurde der Begriff der Arbeitsschuhe genau umgrenzt.
Zu Arbeitsschuhen wurden gerechnet: Vollholzschuhe, Holzpantinen, Holzgaloschen, Arbeitsschuhe mit Gummisohlen, Arbeitsschuhe mit Ledersohle und Gebirgsarbeitsschuhe mit Ledersohle.

Ferner wurde der Begriff der Arbeitsschutzschuhe genau herausgestellt und die Berufe festgelegt, die durch die Wirtschafsämter mit Arbeitsschutzschuhen zu versorgen waren. In den Richtlinien war ausdrücklich angeordnet, daß Bezugscheine für Arbeitsschutzschuhe nur durch die Wirtschaftsämter und nicht durch ihre Außenstellen ausgegeben werden dürften. Die Außenstellen waren nur zur Entgegennahme von Anträgen befugt. Einen Bezugschein auf Arbeitsschuhe durfte das Wirtschaftsamt nur ausstellen, wenn feststand, daß der Antragsteller zur Erledigung seiner Arbeit auf Arbeitsschuhe angewiesen und der Normalbestand an Arbeitsschuhwerk unterschritten war oder die Unterschreitung unmittelbar bevorstand. Schließlich war ein Bezugschein nur dann zu gewähren, wenn der Antragsteller überhaupt keine gebrauchs- oder ausbesserungsfähigen Schuhe mehr besaß.

Das Leder war schon zu Anfang des Jahres 1942 derart knapp, daß das Landeswirtschaftsamt anordnete, daß in der Zeit vom 1. 4. bis 30. 9. 1942 jeder Antrag auf Erteilung eines Bezugscheines für Straßenschuhe, auch 'wenn er ausdrücklich auf einen Bezugschein I lautete, als Antrag auf Erteilung eines Bezugscheines II zu behandeln sei. Nur wenn eine sorgfältige Prüfung durch das Wirtschaftsamt ergab, daß bei Vorliegen besonderer Umstände die Zuteilung eines Bezugscheins II für Straßenschuhe nicht vertretbar war, durfte ein Bezugschein I erteilt werden.
 

Im Juni 1944 wurde bestimmt, daß Kinder vom vollendeten ersten bis zum vollendeten dritten Lebensjahre sowie Knaben und Mädchen vom 3. bis zum 12. Lebensjahre Kinderschuhkarten erhielten. Diese wurden in Verbindung mit der 5. Reichskleiderkarte ausgegeben.

Wie im Bereiche der Spinnstoffversorgung, so entstanden auch im Ledersektor die größten Schwierigkeiten durch die immer stärker einsetzenden Bombenangriffe und die dadurch verursachten Zerstörungen der Schuhwarenläger. Nur ein kleiner Kreis der Antragsteller, leider auch der Fliegergeschädigten, konnte, obwohl Bezugscheine ausgegeben worden waren, mit Schuhwerk versorgt werden. Der größte Teil der Bevölkerung 'War noch in den Jahren 1946 und 1947 im Besitz von Bezugscheinen, die während des Krieges ausgestellt worden waren, für die aber die so notwendigen Schuhe nicht geliefert werden konnten.

Aus den durchweg im Kriege vernichteten Akten des Wirtschaftsamts konnten noch einige Angaben gerettet werden, die den Stand der Versorgung mit Schuhwerk zu verschiedenen Zeiten erkennen lassen.
Das Schuhkontingent wurde im Monat April 1940 wie folgt festgesetzt:
für Straßenschuhe 2,25 Paar auf je 100 Einwohner
,,  Arbeitsschuhe 0,25    ,,   auf je 100 Einwohner
„   Turnschuhe 3,00   ,,  auf je 100 Einwohner
,,   leicht. Straßenschuhe 3,00    „  auf je 100 Einwohner
,,   billige Hausschuhe 2,00    „  auf je 100 Einwohner
Im Dezember 1941 wurden Bezugscheine ausgegeben über 14116 Paar Straßenschuhe,
davon
für Männer 2903 Paar
„   Frauen 5046    „
„   Burschen und Mädchen, Kinder 5 046    „
Größe 46 bis 40      l 121    „
6 667 Paar Haus- und Turnschuhe,
3705 Paar Überschuhe.


Die Höchstmengen der leichten Straßenschuhe mit Holzsohle und der billigen Haus- und Turnschuhe, die im Dezember 1941 verteilt werden konnten, betrugen:
350 Paar leichte Straßenschuhe, 2 803 Paar leichte Haus- und Turnschuhe.
Im Monat Januar 1942 wurden dem Wirtschaftsamt folgende Bezugsmarken zugeteilt:
für Straßenschuhe             15 256 Paar
,,   Haus- und Turnschuhe  7 676    ,,
„   Überschuhe                    2825    „
An Straßenschuhen wurden —getrennt nach  Schuharten — zugeteilt:
für Männer                  3 108 Paar
„   Frauen                      5650    „
,,   Burschen und Mädchenl  413    ,,
„   Kinder                           5085    „
In der Nachkriegszeit wurde die Versorgung mit Schuhwerk ebenso besorgniserregend wie bei den
Spinnstoffen. Nach der Bedarfsermittlung im März 1946 lagen folgende Bezugscheinanträge vor:
für Straßenschuhe 89000,
Arbeitsschuhe 15 000.

Von erheblicher Bedeutung war auch während der ganzen Berichtszeit die Frage der Schuhreparaturen. Von ihrer zufriedenstellenden Lösung hing der Arbeitseinsatz und die Gesunderhaltung der Bevölkerung ab. Dem Wirtschaftsamt oblag vor allem die ausreichende Versorgung des Schuhmacherhandwerks mit Sohlleder und einigen anderen zu Schuhreparaturen benötigten Materialien. Der die Bedürfnisse der einzelnen Handwerker berücksichtigenden Lenkung der Rohstoffe diente einmal die Kundenliste, die für jeden Schuhmachermeister den Kreis der versorgungsberechtigten Personen festlegte, und die Bezugsrechte, die in gewissen Zeitabständen zur Besorgung von Schuhbesohlmaterial den Handwerkern vom Wirtschaftsamt entsprechend ihrer Kundenzahl gewährt wurden. Ab März 1946 wurde in Bochum die Schuhbesohlkarte an die Bevölkerung verteilt. Sie enthielt 5 Abschnitte, die der Schuhmacher bei seiner Arbeitsleistung abtrennte und die für ihn die Bedeutung von Bedarfsschecks zur Wiederbeschaffung von Schuhbesohlmaterial hatten. Zu ernsteren Besorgnissen hat die Frage der Schuhreparatur in der Zeit bis zum Zusammenbruch keine Veranlassung gegeben. Erst nachher waren auch auf diesem Gebiet größere Schwierigkeiten zu überwinden. So erhielt z. B. das Wirtschaftsamt für die Zeit von Februar bis Ende 1946 an Schuhbesohlmaterial 44.091 kg Gummibesohlmaterial 10.150 qdm Oberleder, 3.757 kg Unterleder.

Dieses Material reichte aber nur aus zur Besohlung von 175.843 Paar Schuhen.
Im Jahre 1947 wurde zugewiesen 40.700 kg Gummibesohlleder, 4.400 kg Sohlenleder, 19.000 qdm Oberleder.


Quelle: Verwaltungsbericht der Stadt Bochum, 1938 - 1948, Papierwerk Bochum , Seite 62 - 72

 

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